Gemeinsam stärker!

Spaßbremse mitten im Leben: Brustkrebs mit 37. Die Diagnose traf mich unvermutet und brutal. Unsere Kinder waren 1, 2 und 11 Jahre alt. Ich hatte mich nach stressigen Jahren im Agenturgeschäft zwei Wochen zuvor selbständig gemacht und gerade erst den Anmeldekram durch, bereit zum Durchstarten. Und dann die ärztliche Spaßbremse mit betäubender Wirkung: „Sie haben Krebs, die linke Brust muss weg.“ Die schmerzhafte Erkenntnis, wie endlich wir doch sind.

Wie eine Riesenrutsche im Erlebnisbad erschienen mir die folgenden Wochen und Monate. Einmal hingesetzt und losgerutscht, gibt es kein Zurück mehr. Die Krebstherapie lässt wenig eigene Entscheidungen zu. Immerhin konnte ich die Art des Brustaufbaus selbst bestimmen und entschied mich für ein Silikonimplantat. Nach den OPs wollte ich so schnell wie möglich zum Alltag übergehen und dabei besser auf mich achten als bisher. Der Brustkrebs grüßte nur noch aus der Ferne, an meinen Kunstbusen hatte ich mich schnell gewöhnt. Ich fand wieder zum Singen und einen Hund, gemeinsame Familienzeit wurde plötzlich unendlich wertvoll.

Rezidiv mit 42. Wenige Jahre später sprang der Tumor wieder aus seiner Schublade. Weitere OPs wurden notwendig, das Implantat musste raus, Strahlentherapie, Tamoxifen mit all seinen Nebenwirkungen … ich saß wieder in der Rutsche und kam in jeder Kurve ins Schleudern. Licht am Horizont war die Mutter-Kind-Kur „gemeinsam gesund werden“ in der Klinik Ostseedeich in Grömitz. Hier konnte ich gemeinsam mit meinen mittlerweile vier Kindern in eine besonders wertvolle Rehabilitation gehen. Meine Vier wurden als Patienten von Psychologen begleitet, ein Wochenende konnte auch mein Mann dazukommen und seine Sorgen loswerden.

Was wirklich hilft: mit anderen Betroffenen sprechen. Auf dieser REHA habe ich erstmals erleben dürfen, wie wertvoll es ist, sich absolut verstanden zu fühlen. Weil die Frau neben mir genau das Gleiche erlebt und durchlitten hatte. Sie sich genauso wie ich darum sorgte, was aus ihrer Familie wird, wenn sie jung sterben sollte. Wir uns fragten, ob wir ohne Brust noch attraktiv sein würden. Wir zusehen mussten, wie unsere Männer eine große Last trugen, von der wir gerade wenig abnehmen konnten. Dass mich der Austausch mit anderen Betroffenen so sehr stärken würde, überraschte mich – und ließ mit tätig werden: Gemeinsam mit drei anderen Frauen gründete ich nach meiner Rückkehr in Potsdam eine neue Brustkrebs-Selbsthilfegruppe für junge Frauen mit Familie, die „Busenfreundinnen“.

Die Lust am Leben bestimmt die Treffen unserer Gruppe, die zur Evangelischen Kirchengemeinde Babelsberg gehört. 2020 feiern wir unser zehnjähriges Jubiläum und konnten seither viele Frauen durch eine schwere Zeit hindurch begleiten. Danke an alle, die bisher dabei waren und es immer noch sind! Denn wir Busenfreundinnen heißen nicht nur so, wir sind es auch. Wir lachen und weinen zusammen. Wir begleiten uns zu Arztterminen. Wir sind füreinander da und machen uns gegenseitig Mut. Wir laden interessante ReferentInnen ein und sind damit immer gut informiert. Und wir trauern gemeinsam, wenn eine von uns geht. Wie schön, dass es uns gibt.

Ingeborg Naundorf
Leiterin Selbsthilfegruppe Brustkrebs „Busenfreundinnen“,
SEKIZ Potsdam

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