Mein wahres „ICH“

Ich bin jetzt 57 Jahre alt. 50 Jahre lang litt ich unter schwersten Depressionen. Bereits mit vier oder fünf Jahren fühlte ich mich mehr als Mädchen. Ich spielte gerne mit Puppen, und wenn Rollenspiele gespielt wurden, wollte ich immer unbedingt den weiblichen Part – zum Beispiel den der Mutter – übernehmen. Mit ungefähr 10 Jahren hatte ich dann damit angefangen, heimlich regelmäßig Frauensachen anzuprobieren. Ich hatte niemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte, aber mir war klar: Ich lebe im falschen Körper.

Als ich dann erwachsen wurde, war ich durch die äußeren Umstände gezwungen, ein „Doppelleben“ zu führen, denn als Transgender bekommt man im Allgemeinen leider oft wenig Verständnis entgegen gebracht. In meinem männlichen Körper hatte ich auch mehrere Beziehungen zu Frauen, die meisten wussten nichts von meinem wahren Wesen, nämlich selbst eine Frau zu sein. Ich hatte Angst, mich vor Ihnen zu outen. So war es auch sexuell immer schwierig … Aus diesem und vielen weiteren gravierenden Gründen, wurde mein Leben durch den hohen Leidensdruck immer unerträglicher.

So wollte ich nicht mehr weiterleben. Dann wurde ich im Sommer 2017 an einem schönen, sonnigen Tag, morgens wach, und mir war klar, dass ich endlich authentisch und vollkommen selbstbestimmt mein wahres ICH als Frau leben wollte!

Kurz darauf entschloss ich mich, eine unterstützende Therapie beim Institut für Verhaltenstherapie in Berlin zu beginnen. Im Januar 2018 habe ich dann endlich den Mut gefunden, mich zu outen.

Ich lebe als Frau und fühle mich von meinem Umfeld mit meiner neuen, wahren Identität gut angenommen. So arbeite ich als Behindertenbeauftragte für die Gemeinde Rangsdorf und erlebe mein Arbeitsumfeld als sehr unterstützend, was ich als große Erleichterung auf meinem weiteren Entwicklungsweg erlebe.

Mich an die Selbsthilfe zu wenden, bzw. mich selbst dort aktiv einzubringen, war für mich zuerst kein Thema, weil ich mir sagte: „Ich komme schon alleine klar“ – und weil ich das Gefühl hatte, meine Privatsphäre schützen zu wollen. Meine Therapeutin überredete mich dann aber doch, einen Versuch zu starten. Auch wenn es mich einige Überwindung gekostet hat, bin ich dann über den „Sonntagsclub“ in Berlin doch zur Selbsthilfe gekommen.

Nach dem ersten Treffen war ich völlig überwältigt: so viel Information, so viel Unterstützung und so viel Empathie! Ich habe viel für mich mitnehmen können. Da ich nun aber in einer von dort weiter entfernten Region wohne, war ich zusätzlich auf der Suche nach Kontakten in meiner Nähe.

Eine Freundin empfahl mir einen Besuch bei LuKISS e.V. in Ludwigsfelde – der dortigen Kontaktstätte für Selbsthilfe und Selbsthilfegruppen.

Der erste Kontakt zur dortigen Koordinatorin war gleich so positiv, dass ich vorgeschlagen habe, eine neue SH – Gruppe „Metamorphose“ / Transgender zu gründen. Da ich meine Erfahrungen nun teilen, anderen helfen und Mut machen möchte und dadurch etwas zurückgeben will, habe ich mit Freude erklärt, die Gruppenleitung zu übernehmen. Bianca von LuKISS hat mich so sehr unterstützt, dass bereits 3 Wochen später der erste Gruppentermin stand, und wir mit vier Leuten starten konnten.

Mittlerweile, 2 Monate später sind wir schon sieben! Mir macht die Arbeit als Gruppenleiterin viel Spaß.

Katharina Claus, 57
Gruppenleiterin Metamorphose / Transgender
LuKISS e.V., Ludwigsfelde

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